Der Vorstand des Ortsvereins Bickendorf-Ossendorf hat einstimmig die Resolution Obdachlosigkeit beenden – Wohnungsnot beseitigen: Köln braucht eine wohnpolitische Zeitenwende verabschiedet. Zusammen mit Rainer Kippe von der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim (SSM) und dem Vorsitzenden von Mach Mit e.V., Kalle Joest, haben wir die Resolution entwickelt. Wir sind gemeinsam überzeugt, dass jetzt eine breite stadtgesellschaftliche Debatte gegen die Tatenlosigkeit der Oberbürgermeisterin, der Stadtverwaltung und der Ratsmehrheit angestoßen werden muss. Denn viele Kölnerinnen und Kölner erleben in ihrem persönlichen Umfeld, im Familien- oder Freundeskreis, das die Suche nach einer preiswerten Wohnung zum Teil verzweifelte und sehr oft hoffnungslose Versuche bleiben. Und die Wohnsituation verschlechtert sich kontinuierlich. Dieses Thema sorgt sehr viele Menschen in dieser Stadt. Deshalb ist es auch höchste Zeit als Kölner SPD zu reagieren und sich der Sorgen anzunehmen, inhaltliche Vorschläge zu machen und vor allem in einem breiten Diskussionsprozess mit sehr unterschiedlichen Gruppen und Akteur*innen zu reden und zu streiten, wie Köln Wohnungsnot beseitigt und bis 2030 die Obdachlosigkeit beendet. Der Vorstand des Ortsvereins hat die Resolution an den Unterbezirksvorstand der Kölner SPD geschickt mit der Bitte, die Resolution im Unterbezirksvorstand zu diskutieren und mit zu unterzeichnen.
Nachfolgend der Text der Resolution:
Obdachlosigkeit beenden – Wohnungsnot beseitigen
Köln braucht eine wohnpolitische Zeitenwende
Wer mit offenen Augen durch Köln läuft, hat es in den vergangenen Jahren sehen können, wie stark die Obdachlosigkeit in dieser Stadt angewachsen ist – und das nicht nur in der Innenstadt. Auch in den angrenzenden Veedel sieht man immer mehr Menschen, die auf der Straße ihr hartes Leben bestreiten müssen. Offiziell schätzt die Stadtverwaltung die Zahl der Obdachlosen in Köln auf etwa 300 (Stand Mitte 2022). Kenner der Szene wie Rainer Kippe von der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim (SSM) gehen von mindestens 1.000 Frauen und Männern aus, die in Köln „Platte machen“ müssen.
Und das ist nur die traurige Spitze des Eisbergs. 8170 Menschen sind laut der letzten aktuellen Statistik (10.09.2022) in Köln wohnungslos. Zu den Wohnungslosen zählen Menschen in Unterbringungen der Stadt, bei freien Trägern oder auch Menschen, die aktuell keine Wohnung haben und bei Freunden unterkommen. Köln nimmt damit mit großem Abstand den Spitzenplatz in NRW ein. Und auch hier liegt die Dunkelziffer viel höher.
Das ist im traurigen Sinn des Wortes ein Beleg oder Zeugnis für die Armut dieser betroffenen Menschen, aber vor allem ist es ein Armutszeugnis der Stadtverwaltung und der politischen Mehrheit im Rat: Nämlich fehlendes politisches Handeln, die Lage dieser Menschen nachhaltig und konsequent zu verbessern!
Die offenen Herzen vieler engagierter Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt können die Situation nicht entscheidend verbessern oder Wohnungsnot beseitigen. Sie können mit vorbildlichem bürgerschaftlichem Engagement nur akute Not lindern. Nächstenliebe ist wichtig, aber reicht nicht im Kampf gegen Obdach- und Wohnungslosigkeit. Die Stadt steht in der politischen Pflicht und Verantwortung, die dramatisch wachsende Not zu beenden. Denn es bedarf eines Paradigmenwechsels, der heute unter der Überschrift „Housing first“ zusammengefasst wird, aber in den 70er Jahren schon von der Stadtverwaltung erfolgreich geleistet wurde. Wir müssen uns in Köln nur wieder auf unsere früheren Erfolge und soziale Kompetenz besinnen.
Wir fordern, dass Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Sozialdezernent Dr. Harald Rau lediglich ihre Amtspflichten erfüllen. Diese Stadt braucht endlich ein wirksames Handlungskonzept statt immer neuer warmer Worte. Es ist eine sozialpolitische Bankrotterklärung, das Ziel auszugeben, die Obdachlosigkeit in Köln bis 2030 abschaffen zu wollen, aber nicht wirklich Maßnahmen zu ergreifen.
Aber die Tatenlosigkeit hat sich längst zum Skandal ausgewachsen. Denn Jahr für Jahr verfehlt die Stadt das selbstgesetzte Ziel von 6.000 neu fertiggestellten Wohnungen pro Jahr. Es ist überfällig, Henriette Reker an ihre Antrittsrede als Oberbürgermeisterin am 15. Dezember 2015 zu erinnern, bei der sie die „Schaffung von Wohnraum, insbesondere für Menschen mit niedrigem Einkommen“ als eine ihrer „großen Aufgaben“ bezeichnet hat. Und was ist das Fazit heute: Riesen-Stau beim Wohnungsbau! Frau Reker, Ihre wohnungspolitische Bilanz ist eine riesige Enttäuschung!
Dabei ist eine Wohnung, die Menschen Geborgenheit und Entfaltungsmöglichkeit bietet, eine Grundvoraussetzung menschenwürdigen Lebens in sozialer Sicherheit. Deshalb müssen alle, die politische Verantwortung ernst nehmen, konsequent für den Anspruch auf eine nach Lage, Größe, Ausstattung und Preis angemessene Wohnung als soziales Grundrecht kämpfen,
Doch die Krise verschärft sich immer weiter. Bei den sogenannten Sozialwohnungen droht in den kommenden Jahren ein dramatischer Absturz in Köln. In den nächsten 5 Jahren verlieren rund 10.300 Wohnungen die Bindung an eine vergleichsweise geringe Miete und gehen auf den freien Markt. Damit setzt sich der bodenlose Fall bei den öffentlich geförderten Wohnungen in Köln unvermindert fort: 1990 gab es in der Domstadt noch mehr als 105.000 Wohnungen für Menschen mit einem Wohnberechtigungsschein. 2021 lag die Zahl schon unter 38.000 und 2027 werden es dann nur noch gut 27.000 Wohnungen sein. Das politische Versagen ist aber deshalb so groß, weil zugleich in Köln fast jede/r zweite Bewohner*in wegen des geringen Einkommens ein Anrecht auf Wohnungen dieser Art haben. „In Köln zu leben wird für Menschen mit geringem Einkommen immer schwieriger“, ist die bittere Bilanz von Hans Jörg Depel, Geschäftsführer des Mietervereins (Kölner Stadt-Anzeiger vom 23. Januar 2023).
Zwei Wege führen aus dieser Negativspirale: Zum einen kann die Stadt für die Eigentümer Anreize schaffen, Vereinbarungen über die Verlängerung von Mietpreisbindungen abzuschließen, indem sie Zuschüsse für Sanierungen und Modernisierungen gibt. Zum zweiten muss der soziale Wohnungsbau auch in Köln wieder massiv angekurbelt werden. Private Kölner Investoren, regionale Wohnungsbaugesellschaften und gemeinwohlorientierte Genossenschaften müssen wieder als Partner zurückgewonnen werden, für die Stadt Sozialwohnungen zu bauen.
Doch anstatt auf „Bauen, Bauen, Bauen“ zu setzen, haben die Verantwortlichen lange die Devise „Beschwichtigen, Beschwichtigen, Beschwichtigen“ verfolgt. Doch inzwischen lautet die skandalöse Strategie offenbar: „Verhindern, Verhindern, Verhindern“. Mit Hinweis auf den Klima- und Umweltschutz unterbleibt ein dringend notwendiger Schub beim Wohnungsbau. Die ökologische darf nicht gegen die soziale Frage ausgespielt werden. Denn die Ziele „Wohnungen bauen“ und „Klima schützen“ sind überhaupt kein Widerspruch. Mit dieser Politik gegen die Menschen in dieser Stadt muss Schluss sein.
Wir unterstützen den Ansatz der Bundesregierung, mit einem breiten Bündnis für bezahlbares Wohnen ausreichend bezahlbaren, klimaneutralen und barrierearmen Wohnraum zu schaffen. Das Bündnis hat sich auf rund 190 Maßnahmen für eine Bau-, Investitions- und Innovationsoffensive verpflichtet mit dem Ziel, 400.000 Wohnungen, davon 100.000 sozial geförderte pro Jahr zu bauen. Der Bund fördert allein die soziale Wohnraumförderung mit 14,5 Milliarden Euro bis 2026. Da die Bundesmittel über die Bundesländer verteilt werden, muss die Stadt in Düsseldorf Druck machen, damit Köln von diesem Kuchen ein ordentliches Stück abbekommt. Das ist Aufgabe und Verpflichtung für Rat und Verwaltung.
Wir fordern ein neues Bündnis für Wohnen für Köln – eine Kölsche Fraktion über Partei-, Institutions- und Interessensgrenzen hinweg, die bis 2030 Obdachlosigkeit wirklich abschafft, Wohnungslosigkeit beseitigt und ausreichenden preiswerten Wohnraum für die breite Bevölkerung schafft. Denn in der Domstadt sollen in Zukunft nicht nur die wohnen, die es sich leisten können. Bezahlbares Wohnen muss Grundrecht bleiben – auch in Köln!
Daher fordern wir als Kölsche Fraktion für Wohnen eine wohnpolitische Zeitenwende:
· Mit Geld von Bund und Land wollen wir in Köln mindestens 500 Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren für bezahlbares Wohnen investieren. (Der städtische Anteil ist zum Großteil im Kölner Haushalt vorhanden, wird aber nicht gezielt eingesetzt)
· Aus dem Sondertopf entstehen u.a. 2.000 neue, bezugsfertige Sozialwohnungen pro Jahr. In den nächsten fünf Jahren also 10.000.
· Daraus wird auch ein städtisches Förderprogramm für preisgedämpften Wohnungsbau für jungen Familien, Menschen mit mittlerem Einkommen, alternative Wohnformen oder innovative Modelle wie das Mietshäuser-Syndikat aufgelegt.
· Wir machen Druck auf die Landesregierung zur Schaffung eines Wohnraumförderprogramms der NRW.Bank für zinsverbilligte, günstige Darlehen – insbesondere für gemeinwohlorientierte Wohnungsunternehmen und Genossenschaften.
· Digitalisierung wird endlich konsequent umgesetzt, um Planen und Bauen zu erleichtern und massiv zu beschleunigen – es muss wieder das Gefühl vermittelt werden, dass Wohnungsbau erwünscht ist.
· Bebauungspläne unter Abwägung des Klimaschutzes für Wohnungsbau verdichten; Wohnungsbauflächen im Flächennutzungsplan erweitern.
· Kauf von Grundstücken wird finanziell unterstützt, wenn dort Sozialwohnungen entstehen.
· Geplantes Bundesgesetz zur Einführung einer „neuen Wohngemeinnützigkeit“ (Steuerliche Förderung oder Zulagen für Investoren, die sich im Gegenzug auf dauerhaft günstige Mieten verpflichten) wird begrüßt.
· Miet- und Belegungsbindungen ankaufen, damit Sozialwohnungen auch nach Ablauf der Frist Sozialwohnungen bleiben.
· Städtische Grundstücke günstiger verkaufen oder über Erbpacht vergeben, wenn dort günstige Wohnungen entstehen; Konzeptvergaben nach sozialen, ökologischen und städtebaulichen Vorgaben.
· Dauerhafte Zweckentfremdung von Wohnraum effizient verfolgen und ahnden.
· Wohnungsaufsicht stärken, um Verwahrlosung von Quartieren durch Heuschrecken im Wohnungswesen zu bekämpfen.
· Die GAG Immobilien AG als größte Vermieterin in Köln in ihrer sozialen Verantwortung für den Wohnungsmarkt stärken.
· Fehlende Kooperation der Stadt insbesondere mit gemeinwohlorientierten Unternehmen und Genossenschaften beenden, die für stabiles, sicheres Wohnen, faire Mieten stehen.
· Bürgschaften für kommunale Wohnungsbauunternehmen, Entwicklungsgesellschaften und gemeinwohlorientierte Genossenschaften geben.
· In die Wohnungsgesellschaft der Stadtwerke Köln (WSK) investieren für den Neubau von Wohnungen für Mitarbeiter*innnen der Stadt und Stadtwerke.
· Private Grundstücke ankaufen, damit dort Wohnungen entstehen können.
· Weitere Milieuschutzsatzungen – wo immer notwendig – beschließen und schnell umsetzen.
· Anschubfinanzierung für die Anbindung neuer Wohngebiete an Bus und Bahn leisten.
· Für das Ziel, die Obdachlosigkeit bis 2030 abzuschaffen, ausreichend Plätze in menschenwürdigen Obdachloseneinrichtungen, Sozialhäusern und Gewährleistungswohnungen schaffen.
· Ein vorbeugendes, niederschwelliges psychologisches, medizinisches, sozialarbeiterisches Intensiv-Betreuungsangebot der Stadt sorgt dafür, obdachlose Menschen wieder wohnfähig zu machen. Das können Wohnungsunternehmen nicht leisten. Ohne diese Unterstützungsangebote können negative Folgen sowohl für Bewohner*innen als auch die Nachbarschaft und ganze Siedlungen entstehen. Zwangsräumungen sind künftig grundsätzlich zu vermeiden gemäß der Leitlinie, dass es zehnmal so teuer ist, einen Obdachlosen wieder in eine Wohnung zu bringen, als hilfsbedürftige Menschen durch gezielte Unterstützung in Wohnungen zu halten.
· Die Aufteilung auf drei für Obdachlosigkeit zuständige städtische Verwaltungsgliederungen (Amt 50; Amt 56 und Wohnungsversorgungsbetriebe) Anfang der 2000er Jahre war ein großer Fehler, der korrigiert werden muss. Wieder Konzentration der Zuständigkeiten in eine Hand.
Unterzeichner der Resolution:
Thomas Breustedt
Im Namen des Vorstands des SPD Ortsvereins Bickendorf-Ossendorf als Vorsitzender
Rainer Kippe
Sozialistische Selbsthilfe Mülheim
Kalle Joest
Vorsitzender Mach Mit e.V.