Interview mit unserem SPD-Urgestein Adi Monhof

Wer Adolf Monhof, den alle nur Adi nennen, trifft und fragt, wie isset Adi?, der bekommt sehr oft als Antwort: „Beschissen is noch jestrunzt“ – und dabei zeigt er sein ewig junges Grinsen.

Adi ist ein SPD-Mitglied, für den das Wort Urgestein eigentlich erfunden wurde: Inzwischen stolze 96 Jahre alt und seit dem 1. Januar 1950, also seit 73 Jahren, in der SPD.
Er hatte kein leichtes Leben, aber immer das Herz auf dem richtigen Fleck und einen unerschütterlichen positiven Lebensmut.
Kunstschmied gelernt hat Adi, sein Leben lang hart gearbeitet. Nach schwerer Arthrose, zwei neuen Kniegelenken und einer lebensbedrohlichen Entzündung und Blutvergiftung ist sein linkes Bein seit Jahren versteift. Seitdem ist er auf einen Rollstuhl angewiesen, aber er ist immer noch in seinem Bickendorf unterwegs, fährt zum Karneval oder zum Kartenspielen in die Stammkneipe. Er hat ein phantastisches Gedächtnis, kann viele seiner selbst geschriebenen Gedichte noch aus dem Kopf rezitieren. Immer neue Geschichten und Anekdoten reiht er aneinander.


Adi ist wahrlich jemand, der viel über 73 Jahre SPD und 73 Jahre Bickendorf erzählen kann. Wir haben mit ihm gesprochen.

Lieber Adi, du kannst auf eine SPD-Mitgliedschaft von inzwischen 73 Jahren zurückblicken, die nur ganz wenige erreichen. Wie bist du zur SPD gekommen?

Adi Monhof: Ich bin `48 in die Sozialistische Jugend Deutschland Die Falken eingetreten. In der Nazizeit waren ja alle sozialistischen Jugendorganisationen verboten. Und bei den Nazis haben wir nicht mitgemacht. Bei den Falken bin ich immer wieder in Verbindung gekommen mit der SPD. Damals durfte einer von den Falken an den Vorstandssitzungen der SPD teilnehmen. Seit Ende 1949 war ich als Nachfolger von Hans Schilli Vorsitzender des Falken-Ortsvereins. Und dann bin ich 1950 Mitglied der SPD geworden. Wir waren damals auch in Brüssel und haben dem Oberbürgermeister ein Geburtstagsständchen gebracht. Unter der Überschrift „Les jeunes troubadours“ standen wir alle danach groß in einer belgischen Zeitung. 1951 war ich beim europäischen Falken-Treffen in Wien mit Umzug.

Was habt ihr früher als Falken unternommen?

Adi: 1948 gab es keine Möglichkeiten für Jugendliche sich zu treffen. Wir hatten das Glück, dass uns eine Frau Förster vom Sandweg zwei alte Ställe an Unter Bergamotten überlassen hat. Da haben wir mit Einverständnis der Frau Förster zwei Wände rausgemacht und hatten einen großen Raum in unserem Falkenheim. Dort war einmal die Woche Gruppenabend. In kurzer Zeit waren wir 80 Mitglieder. Auch weil ein Mädchen, die Inge Paustian vom Holunderweg, eine Kindergruppe gegründet hat. Da haben wir überlegt, was unternehmen wir am Samstag, Sonntag. Oft haben wir Fahrradtouren gemacht, zum Beispiel an die Agger, Sieg oder Erft. Nicht alle hatten ein Fahrrad. Wir haben alle Keller durchsucht, um noch Fahrbares zu finden. Nicht alle Fahrräder waren verkehrssicher, aber sie funktionierten. Politische Sachen gab es ganz selten. Das war in der damaligen Zeit so. Aber es gab nicht nur schöne Erinnerungen.

Wieso?

Adi: Einer unserer Freunde, Erich Pilisch, brachte uns auf jeder Fahrt zum Lachen. Here Katess a Hi jolla bicha dolla, Zimm Bumm Jara Flatsch Flatsch gab er von sich, als zwei englische Soldaten neben uns anhielten. Die sprangen aus ihrem Jeep und haben den Erich mitgenommen. Sie glaubten, der Erich habe sie beleidigt. Wir konnten ihnen nicht erklären, dass das nicht so war, sondern nur Blödsinn. Ein Offizier wurde als Richter eingesetzt und im Raum von der Dreikönigskirche wurde dem Erich der Prozess gemacht. Er wurde zu 150 Mark Strafe verurteilt, was damals 3 bis 4 Monatsgehältern als Lehrling entsprach. Gegen dieses Urteil gab es keinen Einspruch. Wir haben Erich leider nie wiedergesehen.

Lieber Adi, du hast immer noch ein unwahrscheinliches Gedächtnis. An wen in der SPD hast du immer noch eine besondere Erinnerung?

Adi: Gerne bin ich damals zusammen gewesen mit dem Rolf Mützenich. Der ist für mich ein ganz Guter. Früher war das auch so, dass die SPD in rechts und links unterteilt war. Ich war immer bei den Linken. Dadurch war ich in Köln auch im August-Bebel-Kreis der Linken. Zwischen Rechten und Linken ging es intern ganz schön heftig hin und her. Das vermisse ich heute teilweise. Die Diskussionen, die früher waren: Wir haben gegenseitig um Inhalte gekämpft, aber wir sind nach außen einig gewesen. Hinterher ging man auch ein Kölsch miteinander trinken. Ich meine, da wäre auch mehr bei rausgekommen. Das fehlt mir. Heute geht es immer nur in eine Richtung, Feierabend.

Du würdest dir stärkere innerparteiliche inhaltliche Diskussionen über den Kurs wünschen?

Adi: Ja natürlich. Dann kann es passieren, dass man mal einen auf den Deckel bekommt, wenn man falsch liegt. Das ist aber normal in der Politik.

Und welche Erinnerungen hast du etwa an Willy Brandt?

Adi: Ich habe noch ein Buch mit der Unterschrift von Willy Brandt. Er war für mich einer der Besten.

Also eher Willy Brandt als Helmut Schmidt?

Adi: Der Helmut war einer, der viele Dinge nur nach seiner eigenen Richtung entschieden hat und nicht gefragt hat, was andere darüber denken. Und das hat Willy Brandt nie gemacht. Der hat sich immer mit der Partei auseinandergesetzt.


Hast du in all den Jahren mal daran gedacht, aus der SPD…

Adi: Niemals!

…auszutreten

Adi: Um Gottes Willen! Es gab niemals eine andere Partei  – auch nicht in schwierigen Zeiten, wenn andere versucht haben, die SPD in Verruf zu bringen. Das war mir scheißegal.

Was glaubst du, könnte die Partei heute wieder besser machen – auch aus der Erfahrung der Vergangenheit?

Adi: Ich vermisse eins: Die SPD kümmert sich viel zu wenig um die Jugend. Da haben sich die Grünen mehr gekümmert. Die Jugend läuft stärker den Grünen nach. Die SPD hat da auch zu wenig getan.


Dein Wunsch wäre also, auch hier in Bickendorf-Ossendorf als SPD mehr zu tun für die jungen Menschen?

Adi: Ja, auch hier in Bickendorf.

Du hast dich jahrzehntelang in der Bickendorfer SPD engagiert.

Adi: Ich war immer im Vorstand der Bickendorfer SPD und auch im Unterbezirks-Vorstand aktiv.

Du warst auch lange Kassierer.

Adi: Ja. Damals ging der Kassierer noch von Haustür zu Haustür, um die Beiträge bar abzuholen und ins Kassenbuch einzutragen. Das Schönste war: Der Ortsverein Bickendorf war immer rechts. Wir waren nur 2 bis 3 Linke. Die Rechten wollten mich immer raus aus dem Vorstand haben. Aber ich habe bei den Wahlen immer die meisten Stimmen bekommen, weil ich als Kassierer bei jedem vorbeiging und mit den Leuten geredet und diskutiert habe. Die kannten mich alle.   

Du lebst seit deiner Geburt in Bickendorf, richtig?

Adi: Ja, das stimmt. Wir hatten früher ein Wohnhaus im Fliederbusch 19. Das ist mein Geburtshaus und das Haus meiner Eltern. Das habe ich später leider verkaufen müssen, weil ich keine Treppen mehr hochkam. Dann bin ich ins Seniorenhaus der Kölner Gartensiedlung gezogen (Adi lebt inzwischen im AWO Seniorenzentrum Theo-Burauen-Haus).

Welche Erinnerungen hast du an die Zeit unter den Nationalsozialisten? Dein Vater wurde als Kommunist von den Nazis verfolgt.

Adi: Nach der Machtübernahme 1933 im Januar haben die Nazis meinen Vater sofort verhaftet. Er war einer der führenden Kommunisten in Ehrenfeld. Und meine Mutter lag zur selben Zeit mit Lungentuberkulose im Krankenhaus. Ich war gerade 5 Jahre alt und alleine zu Hause. Da haben die Nazis nicht nach gefragt. Ich bin im Schlafanzug abends im Winter alleine zu meinem Opa gelaufen. Der wohnte im Rotdornweg. Ich habe dann meinem Opa erzählt, was die Nazis bei uns alles angestellt haben. Darüber habe ich auch ein Gedicht gemacht.

Was geschah danach?

Adi: Ich bin 3 bis 4 Monate bei Oma und Opa geblieben bis meine Mutter wieder aus dem Krankenhaus kam. Ich habe sie erst nicht wiedererkannt und sie am Anfang „Tante“ genannt. Da mein Vater immer wieder verhaftet wurde, war es bei uns finanziell sehr schlecht. Meine Mutter ging dann putzen und kam oft erst abends spät vom putzen nach Hause. Ich habe gewartet. Es gab schnell was zu essen und dann ging es ins Bett. Das war meine schöne Kindheit. Leider gibt es heute immer noch Leute, die von den Nazis so schwärmen. Die sollte man alle mal nach Brauweiler bringen, wo die Inhaftierten im Lager umerzogen werden sollten. Dann würden die auch vielleicht mal anders denken über die Nazis. Aber das geschieht ja leider nicht.

Ich bin mit 17 Jahren Kriegsmarinesoldat geworden. Ich habe am Weser-Ems-Kanal im Schützengraben gelegen, nicht einen Schuss abgegeben und war froh als das Ganze vorbei war.


Meinen 18. Geburtstag habe ich in Belgien in Kriegsgefangenschaft gefeiert. Da war ich nur drei Monate. Danach ging es wieder Richtung Heimat.

Du hast es gerade angesprochen: Du hast auch Gedichte geschrieben.

Adi: Ich habe schon in der Falkenzeit erste Gedichte geschrieben. Insgesamt sind es 23 bis 24 geworden – über alles mögliche, meist auf kölsch. Ich war damals im Kölner Mundartverein im Bürgerzentrum, weil ich Angst hatte, dass die kölsche Sproch so langsam kaputt geht, weil es früher hieß: Wer kölsch spricht es ene Krad. Ich habe kennengelernt, dass das nicht der Fall ist. Ich finde, dass man Menschen mit Respekt begegnen muss. Putzfrau war für mich ein Begriff, der erniedrigend war. Daher habe ich mir ein neues Wort ausgedacht – Bodenkosmetikerin. Da hab  ich dann auch ein Gedicht zu gemacht:

Die Frau, die bei mir mäht alles blank,

wor plötzlich krank.

Nu wor dat e Problem.

Man is ja auch vill zu bequem

vum Sofa ubzestonn

un ne Schrubber hole zo jonn.

Wegen deiner Sorge um die kölsche Sproch können wir dich ein wenig beruhigen: An ganz vielen Schulen wird das wieder gefördert und ich habe dich ja auch kennengelernt, wie du mal in der Schule warst und hast den Kindern von früher erzählt. Und wir saßen mit offenen Mündern da.

Adi: Das war meine schönste Stunde in der Schule gewesen. So ne ruhige Klasse hab ich nie gehabt.
Ich habe auch gehofft, dass die Kinder die Streiche nicht nachmachen, von denen du da erzählt hast.

Du warst nicht nur in der SPD und den Falken, sondern auch im Karneval und im Vereinsleben in Bickendorf aktiv.

Adi: Ich bin schon ewig bei der GdK (Gesellschaft der Karnevalsfreunde von 1933) dabei und war im Jahr 2022 Schirmherr für den Bickendorfer Veedelszoch. Doch der ist leider wegen Corona ausgefallen. Eigentlich müsste ich noch mal Schirmherr werden, denn 1991 ist der Zug wegen des Golfkriegs auch ausgefallen und Knut Wörner war damals auch zwei Jahre hintereinander Schirmherr. Ich habe noch nicht mal einen Schirm bekommen (grinst)…

Und bei einem Verein bist du das einzige noch lebende Gründungsmitglied.

Adi: Das waren die Bickendorfer Sonntagsschwimmer. Wir gingen Sonntag morgens im Bad an der Äußeren Kanalstraße schwimmen und danach gingen wir dann beim Reichel – Rondellchen – von innen schwimmen – morgens außen nass im Schwimmbad, mittags innen nass im Rondellchen! Wir haben uns dann für Karneval einen Wagen gekauft, einen Anhänger, der 5 Meter lang und ein Meter 75 breit war. Da ich im Stahlbau gearbeitet habe, hatte ich gute Möglichkeiten Stahlträger und sowas zu besorgen. Dann haben wir im Winter den Wagen auf 9 Meter Länge und 2 Meter Breite vergrößert. Dann sind wir mit dem Wagen in jedem Karnevalszug mitgefahren. Und ich habe im Karneval auch viel Musik gemacht.

Warst du in einer Band?

Adi: Mit einem guten Freund, der leider 2022 gestorben ist, der Franz Wendland, der über 20 Jahre Geschäftsführer der Kölner Sporthalle war, habe ich viel zusammen gespielt. Das war eine schöne Zeit. So habe ich auch meine erste Frau kennengelernt.

Wie schön.

Adi: Na ja. Ich war nachher froh, dass ich sie wieder raushatte.

Mit deiner zweiten Frau klappte es besser?

Adi: Das kann man wohl laut sagen. Mit ihr war ich 38 Jahre verheiratet. 1979 habe ich sie auch dazu gebracht, in die SPD einzutreten.   

Die Fotos machte Bernd Delbrügge. Das Gespräch führten Renate Klette und Thomas Breustedt

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